Yoga – Atem – StimmeKatharina Malu Peters

Interview

Vorwärtskommen ohne direktes Ziel

Ein Gespräch zwischen Barbara Haack von der Zeitschrift Oper & Tanz und der Chorsängerin und Yoga-Lehrerin Katharina Malu Peters: Barbara Haack sprach für „Oper & Tanz“ mit Katharina Malu Peters über das, was am Yoga erklärbar ist.

Oper & Tanz:

Sie beschäftigen sich seit einigen Jahren sehr intensiv mit Yoga. Kann man mit Worten überhaupt fassen, was das ist?

Katharina Malu Peters:

Der Begriff „Yoga“ wirft natürlich viele Fragen auf. Im Grunde handelt es sich um etwas, das man nicht wirklich gut beschreiben kann. Man kann es letztlich nur so definieren: Ziel ist das Eins-Sein mit dem Göttlichen. Dabei ist das Göttliche nicht irgendetwas, das außerhalb herumschwirrt, sondern etwas, das man in sich selbst zu erfahren versucht. Dieses Eins-Sein ist eine Entwicklungsstufe auf dem Yoga-Pfad. Als Schülerin konnte ich erleben, dass es nicht darum geht, irgendwelche Verrenkungen zu machen oder möglichst abstruse Haltungen lange beizubehalten. Es geht darum, dass der Körper in tiefer, stiller Meditation so lange sitzen kann, dass er seinen Geist beruhigt, dass der Geist sich ganz zurückziehen kann, dass die Gefühle sich nach innen wenden, dass man einen Zustand der Kontemplation erreicht, der es der Seele ermöglicht, zum Vorschein zu treten.

Oper & Tanz:

Sind alle Menschen, die zu Ihnen kommen, bereit, sich auf eine solche geistige Ebene einzulassen?

Katharina Malu Peters:

Ich lasse ihnen keine andere Chance.

Oper & Tanz:

Am Anfang gibt es aber sicher Hemmschwellen.

Katharina Malu Peters:

Ja, aber das hängt sehr stark von der Authentizität des Lehrenden ab. Ich selbst bin auch erst auf dem Weg. Aber ich kenne das Ziel. Die erste Viertelstunde üben wir sitzen, den Geist zu beruhigen, den Atem erfahrbar zu machen. Damit wird sogleich die Essenz des Yoga klar. Die erste Viertelstunde steht für absolute Konzentration und Ruhe. Da kommt man sofort in Kontakt mit sich selbst, auch mit Widerständen, mit Gedanken wie „Ich kann das nicht“, „Ich will das nicht“, „Ich halte das nicht aus“. Das ist der Yoga-Weg.

Oper & Tanz:

Was ist der Unterschied zu anderen Atem- oder Körperübungen? Woher kommt Yoga?

Katharina Malu Peters:

Der Yoga ist einer der ältesten Wissenschaften. Er hat sich immer weiterentwickelt. Die Lehren basieren auf dem Tantrismus, der 3500 vor Christus entstanden ist.

Oper & Tanz:

Ist das eine Art Religion oder eher eine Geisteshaltung?

Katharina Malu Peters:

Beides. Der Tantrismus ist vielleicht eine Form der Erforschung des Menschen in seiner Gesamtheit. Was ist Seele, was ist Körper, was ist Geist? Tantrismus bezieht sich auf den Körper und auf die Befreiung des Körpers von Schmerz, Leid und Sorge.

Oper & Tanz:

Wie sieht eine Yoga-Stunde bei Ihnen genau aus?

Katharina Malu Peters:

Der Yoga-Unterricht beginnt in der Stille, in einer Sitzposition, die für jeden angenehm sein muss. Die Augen sind geschlossen, die Hände zu einem Mudra, einer Fingergeste, geformt. Danach wird die Wirbelsäule aufgerichtet. Nach der Wahrnehmung der zwei Pole – die Sitzposition ist die Basis nach unten, die uns erdet, der Scheitel strebt nach oben in den freien, weiten und unendlichen Raum – folgt meistens eine vorbereitende Atemübung, die den Atem im Körper bewusst und spürbar werden lässt. Dann beginnt man damit, die Atembewegungen zu beobachten und versucht, die Gedanken beim Atem zu halten. Unser Geist ist so beschaffen, dass die Gedanken unruhig sind. Man versucht also, sie achtsam wieder zurückzuholen. Es ist einfach nur ein Augenblick des So-Seins. Ein schwieriger Moment, denn alle bringen von irgendwoher irgendetwas mit, haben auch irgendwo irgendwann noch etwas vor. Jeden Tag bestimmt auch ein individuelles Empfinden, mit dem man sich in dieser Viertelstunde auseinandersetzen muss. Das ist wirklich nicht leicht. Aber das ist das Ziel des Yoga.

Nach dieser Viertelstunde gibt es „Flows“ oder leichte Übungen. Körper und Wirbelsäule werden mobilisiert. Atem und Bewegungen werden dabei im günstigsten Fall miteinander verbunden. Wenn ich eine Abfolge von verschiedenen Haltungen habe, muss der Atem in der Ein- und Ausatmung dem folgen können. Geht das nicht, muss ich die Bewegungen zurückschrauben. Es ist wichtig, dass im Yoga-Unterricht nicht über-, sondern nur gefordert wird, dass man sich an Grenzen bringt, aber nicht darüber hinaus geht; dass jeder noch eine Eigenverantwortung für sich selbst hat.

Oper & Tanz:

Inwieweit ist Yoga hilfreich, körperliche Probleme zu überwinden oder Probleme, die sich bei Künstlern aus dem Beruf ergeben?

Katharina Malu Peters:

Sänger empfinden natürlich einen anderen Schmerz als Tänzer. Sänger haben beim Sitzen größere Probleme oder dabei, Bewegungssituationen gut durchzustehen. Dabei empfinden sie oft Schmerz oder etwas, was sie an ihre Körpergrenzen bringt. Tänzer haben große Probleme, sich zu entspannen, den Tonus aus den Muskeln loszulassen, sich hinzugeben. Das sind zwei ganz unterschiedliche Aspekte. Schmerz wird unterschiedlich wahrgenommen.

Die Tänzer haben natürlich mit den Yoga-Haltungen oder Bewegungssituationen keinerlei Schwierigkeiten. Es ist eher so, dass sie lernen, sich nicht zu überdehnen, sondern so in ihren Körperformen zu bleiben, dass auch die Verletzungsgefahr niedriger wird. Und sie lernen natürlich in der Yoga-Tiefenentspannung, sich überhaupt erst einmal an den Körper, an den Boden abzugeben.

Oper & Tanz:

Heißt das, dass Sie in Ihrer Stunde ganz individuell auf die einzelnen Menschen eingehen?

Katharina Malu Peters:

Natürlich gehe ich herum, korrigiere und weiß auch um die Schwachpunkte jedes Einzelnen. Im Yoga wird jeder genau da abgeholt, wo er gerade im Moment ist. Ich habe auch Tenöre mit dickem Bauch in meinem Kurs. Die sind körperlich in einer ganz anderen Situation als die Tänzer. Trotzdem sind sie in der gleichen Gruppe. Ich mache kein akrobatisches Yoga, bei dem diejenigen ausgeschlossen wären, die etwas nicht können. Ich mache allerdings ein sehr kraftvolles Yoga. Das wird auch gewünscht. Letztendlich ist jede Tätigkeit, die man ganz und gar macht, Yoga: Kann man sich völlig in eine Situation versenken, in das, was man gerade tut, dann ist das Yoga.

Oper & Tanz:

Heute sind die Menschen daran gewöhnt, Dinge sehr ziel- und zweckgerichtet zu tun. Beim Yoga geht das anscheinend nicht so einfach. Man kann nicht einfach fragen: Welches sind die Ergebnisse, und wie lange dauert es, um sie zu erzielen.

Katharina Malu Peters:

Aber genau das wirkt befreiend. Alle sehen sich hier auf einem Weg. Er hat irgendwo angefangen und wo er endet, weiß man nicht. Es gibt kein direktes Ziel. Als ich einmal nach der Motivation meiner Teilnehmer gefragt habe, habe ich festgestellt, dass es in den Menschen eine Sehnsucht gibt, eine mögliche Leere mit einer neuen, noch nicht gekannten Form der Geisteserfahrung aufzufüllen. Sie stellen sich die Frage: Wie begegne ich mir eigentlich mal selbst? Was ist da, wenn ich mich aus dem Außen zurücknehme?

Oper & Tanz:

Ist eine Änderung im Verhalten der Menschen, die sich mit Yoga beschäftigen, zu spüren?

Katharina Malu Peters:

Absolut. Man lernt, sich selbst und andere anders wahrzunehmen, mit sich selbst und anderen respektvoller umzugehen.

Oper & Tanz:

Sie sind selbst Sängerin und Yoga-Lehrerin. Unter welchen Bedingungen bieten Sie Ihren Unterricht im Theater an?

Katharina Malu Peters:

Über all die Jahre ist es so gewesen, dass ich ein Teil der Chorgruppe war, aber immer mal als Chorsolistin meine Nase hinausstrecken konnte. Das hat meinem Ego gut getan. Die Bestätigung über das Theater und den Applaus ist wunderbar. Ich habe trotzdem irgendwann etwas gesucht. Letzten Endes hat mich das dann zum Yoga gebracht. Es war sofort Liebe auf den ersten Blick, genauso wie beim Singen. Ich habe festgestellt, dass das für mich ein Weg ist, der mir gut tut und das in mir füllt, was ich suche. Ich habe außerdem das Gefühl, gut lehren und weitergeben zu können.

Hier in Ulm wurde die Ausbildung zum Yoga-Lehrer angeboten. Allerdings fand der Unterricht am Wochenende statt. Da haben andere Leute frei, Chorsänger aber nicht. Ich habe versucht, über die Gesetzgebung und über die VdO etwas zu erreichen. Es gibt überall ein Fördergesetz für Weiterbildung, nur nicht in Baden-Württemberg. Das war also schwierig. Letztendlich habe ich das Gespräch mit meinem Intendanten, Andreas von Studnitz, gesucht und ihn gefragt, ob er sich vorstellen könnte, mir das zu ermöglichen. Er hat sich da sehr großzügig gezeigt: Da es nicht darum ging, dass ich bei Vorstellungen fehlte, und die Hauptproben auch ausgeschlossen wurden, hat er sich auf eine Befreiung für musikalische und szenische Proben eingelassen. Daraufhin habe ich die Yoga-Lehrer-Ausbildung angefangen. Natürlich war es immer ein Jonglieren. Aber es war trotzdem kein Problem für mich, weil es große Energie in mir freigesetzt hat. Nach einem halben Jahr Ausbildung habe ich dann angefangen, im Theater zu unterrichten – umsonst.

Seit kurzem bietet die Stadt Ulm ihren städtischen Mitarbeitern ein Mal im Jahr eine Präventionsmaßnahme an. Dazu bin ich als Yoga-Lehrerin engagiert worden. Im Moment bekomme ich also den Kurs von der Stadt Ulm bezahlt.

Oper & Tanz:

Sind Sie also Teilzeit-Chorsängerin?

Katharina Malu Peters:

Nein, ich mache die Kurse zusätzlich, in meiner Freizeit. Für die nächste Spielzeit habe ich kurzfristig Teilzeit beantragt, aber aufgrund des geringen Verdienstes kann ich selbst von einer Zwei-Drittel-Stelle nicht leben.

Der Stadtkurs in Ulm ist zeitlich begrenzt. Am Theater selbst gibt es keinen Finanztopf dafür. Wenn die Stadt nicht mehr bezahlt, dann muss ich für mich und meine Schüler neue Möglichkeiten suchen.

Oper & Tanz:

Aber Sie haben vor, diese Kurse weiterhin anzubieten?

Katharina Malu Peters:

Auf alle Fälle. Es ist wunderschön, wenn man merkt, dass man die Kollegen ein Stück weit auf einen anderen Weg bringt. Man lernt sich untereinander ganz neu kennen. Für die Hochschulen sehe ich es als Pflichtaufgabe, aber auch in den Theatern halte ich es für extrem wichtig, flächendeckend Yoga anzubieten. Es kann für den Einzelnen so viel verändern. Darüber hinaus ist ein geklärterer Umgang mit sich selbst immer auch ein veränderter Umgang mit anderen. Auch für das Publikum ist es ein Anreiz zu sehen, dass Menschen auf der Bühne stehen, die in sich ruhen. Natürlich können das viele auch ohne Yoga, aber viele merken eben, dass es ihnen in ihrem Beruf hilft.